Das "Pflegestärkungsgesetz"
In zwei Schritten hat die Bundesregierung im Jahr 2015 die Pflegeversicherung reformiert. In den Pflegestärkungsgesetzen 1 und 2 wurden sowohl eine Leistungserweiterung für die Pflegebedürftigen als auch eine Neudefinition des Begriffes “Pflegebedürftigkeit” vorgenommen und die bisherigen Pflegestufen durch die Einführung von fünf “Pflegegraden” ersetzt.
Gegenwärtig werden mehr als zwei Drittel der 2,5 Millionen pflegebedürftigen Menschen zu Hause durch Angehörige oder ambulante Pflegedienste gepflegt. Um die Pflege zu Hause besser zu unterstützen, wurden die Leistungen für die häusliche Pflege um rund 1,4 Milliarden Euro erhöht.
Im ersten Pflegestärkungsgesetz werden ab Januar 2015 folgende Leistungen reformiert:
- Die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können in Zukunft besser miteinander kombiniert werden Statt der bisherigen vier Wochen sind bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege pro Jahr möglich, die Pflegekasse erhöht den Betrag dafür künftig auf bis zu 3.224 Euro (bisher bis zu 3.100 Euro). Ähnliches gilt auch bei der Verhinderungspflege: Die so genannte Verhinderungspflege zur Entlastung der Pflegeperson soll künftig unter entsprechender Anrechnung auf den Anspruch auf Kurzzeitpflege bis zu sechs Wochen in Anspruch genommen werden können statt bisher vier Wochen. Künftig stehen bis zu 2.418 Euro (bisher 1.550 Euro ) jährlich zur Verfügung. So können pflegende Angehörige besser die Unterstützung wählen, die in ihrer konkreten Situation am besten hilft.
- Die Leistungen für Tages- und Nachtpflege (teilstationäre Pflege) werden ausgebaut Wurde bisher die Inanspruchnahme von Tages-/Nachtpflege und die ambulanten Pflegeleistungen (Pflegegeld und/oder ambulante Sachleistungen) aufeinander angerechnet, werden zukünftig die beiden Leistungsbereiche nicht mehr miteinander verrechnet. Wer ambulante Sachleistungen und/oder Pflegegeld bekommt, kann künftig Tages- und Nachtpflege daneben ohne Anrechnung voll in Anspruch nehmen. Gab es beipielsweise für die Kombination von Tagespflege und ambulanten Pflegesachleistungen in Pflegestufe III bis zu 2.325 Euro, stehen künftig hierfür bis zu 3.224 Euro monatlich zur Verfügung. Demenzkranke profitieren verstärkt von dieser Leistungsverbesserung.
- Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote werden gestärkt Zukünftig werden allen Pflegebedürftigen mit rein körperlicher Beeinträchtigung 104 Euro pro Monat zur Betreuung und Entlastung der Pflegeperson von der Pflegekasse erstattet. Es können dadurch anerkannte Haushalts- und Serviceangebote oder Alltagsbegleiter finanziert werden. Demenzkranke bekommen schon heute bis zu 100 oder 200 Euro pro Monat (ab 1.1.2015: bis zu 104 oder 208 Euro pro Monat). Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können künftig auch anstelle eines Teils der Pflegesachleistung in Anspruch genommen werden (neue "Umwidmungsmöglichkeit" in Höhe von bis zu 50 Prozent des jeweiligen ambulanten Pflegesachleistungsbetrags).
- Die Zuschüsse für Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel werden erhöht Für Umbaumaßnahmen wie Rollstuhlrampen, begehbare Duschen oder die Verbreiterung von Türen, die es Pflegebedürftigen ermöglichen, im eigenen Zuhause oder in einer Pflegewohngemeinschaft zu bleiben, werden ab dem 1. Januar 2015 die Zuschüsse von bisher bis zu 2.557 Euro auf zukünftig bis zu 4.000 Euro pro Maßnahme angehoben. Die Zuschüsse zu Pflegehilfsmitteln, die im Alltag verbraucht werden, werden von 31 Euro auf 40 Euro je Monat angehoben.
- Die konkrete Unterstützung der pflegenden Angehörigen wird neu geregelt: Wer kurzfristig die Pflege eines Angehörigen organisieren muss, etwa nach einem Schlaganfall, kann künftig eine Lohnersatzleistung für eine bis zu zehntägige Auszeit vom Beruf erhalten, vergleichbar dem Kinderkrankengeld. Durch das erste Pflegestärkungsgesetz werden zur Finanzierung dieser Leistung 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Lohnersatzleistung soll in einem separaten Gesetz geregelt werden, das ebenfalls am 1.1.2015 in Kraft treten soll.
- Pflegevorsorgefonds: Ab dem Jahr 2015 wird ein sogenannter Pflegevorsorgefonds zur nachhaltigen Sicherung der Pflege eingeführt. In den Pflegevorsorgefonds fließen ab Januar 2015, 0,1 Prozentpunkte des Beitragssatzes, was einem Finanzvolumen von etwa 1,2 Milliarden Euro entspricht. Das bis 2035 angesparte Kapital kann dann über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren bis zu einem Zwanzigstel der Pflegeversicherung wieder zugeführt werden. Damit sollen mögliche Beitragssatzsteigerungen abgefedert werden, welche ab dem Jahr 2036 zu erwarten sind, weil zu dieser Zeit die geburtenstarken Jahrgänge in das Pflegealter kommen.
- Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff: Die bisherigen drei Pflegestufen sollen im Rahmen des zweiten Pflegestärkungsgesetzes durch fünf Pflegegrade ersetzt werden. Bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit soll keine Unterscheidung mehr zwischen körperlichen, geistigen und psychischen Erkrankungen vorgenommen werden. Die Pflegebedürftigkeit wird bei den Pflegegraden dann nach dem Grad der Selbstständigkeit und somit vom individuellen Bedarf des Pflegbedürftigen ausgehend beurteilt werden. Neben den Versicherten mit körperlichen Einschränkungen sollen durch die neuen Pflegegrade auch Demenzkranke profitieren. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff wird nicht zum Jahr 2015 umgesetzt, sondern erst nach Prüfung seiner Praxistauglichkeit im Laufe der Legislaturperiode.